Redebeitrag ASAP e.V.

Im Jahr 2024 kam es in Deutschland zu mindestens 155 Femiziden. 28 dieser Femizide wurden in Berlin ausgeübt. 155 Frauen wurden von ihren Ex-Partnern ermordet. Sie wurden umgebracht, weil sie Frauen waren.
Was wir uns bei diesen Zahlen bewusst machen müssen: unter den 155 Frauen waren auch solche, die jahrelange Gewalterfahrungen hinter sich hatten und sogar schon an Hilfesysteme angebunden waren. Trotzdem konnten sie nicht ausreichend geschützt werden.
Es macht uns wütend, immer wieder neue Nachrichten über getötete Frauen* und Kinder zu lesen. Es macht auch wütend mitzuerleben, wie feministische Anliegen wie Gewaltschutz und Gleichberechtigung durch rechte Narrative vereinnahmt werden und geschlechtsspezifische Gewalt instrumentalisiert wird, um rassistische und menschenunwürdige Migrations- und Asylpolitik zu betreiben.

Immer noch verdienen Frauen* deutlich weniger Geld, haben ein höheres Risiko von Altersarmut betroffen zu sein und können sich bei geschlechtsspezifischer Gewalt in Sorgerechts- und Umgangsfragen nicht darauf verlassen, von Gerichten und Jugendämtern ausreichend vor dem Täter geschützt zu werden – während die Täter in den meisten Fällen mit keinerlei Konsequenzen zu rechnen haben!

Wenn wir am heutigen 08. März über einen „unlimitierten“ Feminismus sprechen, dann müssen wir auch über Strukturen sprechen, die unsere feministischen Kämpfe limitieren und die wir nicht weiter hinnehmen wollen!
Als Verein, der an der Schnittstelle von häuslicher Gewalt und Wohnungsmarkt arbeitet, möchten wir heute Strukturen benennen, die Frauen aus Gewaltsituationen massiv beeinträchtigten: Frauen und Kinder können Gewaltsituationen so oft nicht verlassen, weil sie keine Möglichkeit haben eine neue Wohnung zu finden. Die Trennung aus einer gewaltvollen Beziehung scheitert auch im Jahr 2025 deutschlandweit häufig daran, dass es fast keinen bezahlbaren Wohnraum mehr gibt. Wohnraum ist zur Mangelware geworden. Bundesweit gibt es immer noch viel zu wenige Frauenhausplätze. Betroffene, die dringend Schutz suchen, können schlichtweg keinen Platz finden.

Gleichzeitig sind die vorhanden Wohnungen in einem immer schlechteren Zustand. So müssen die Betroffenen damit rechnen, selbst wenn sie es geschafft haben, eine neue Wohnung zu finden, diese noch auf eigene Kosten umfassend zu renovieren. Trotzdem müssen wir diesen Frauen raten, dreckige, unrenovierte Wohnungen ohne Fußbodenbelag anzumieten, weil sie schlichtweg keine Wahl haben.
Die Betroffenen werden oft an den Stadtrand verdrängt und es entstehen weite Fahrtwege zur Arbeit, Kita, Ärzt*innen und Therapeut*innen, Familie und Freund*innen. Das Gefühl eines finanziellen und sozialen Abstiegs, der oft mit einer Trennung für die gewaltbetroffenen Frauen einhergeht, wird durch die anhaltende Wohnungskrise verstärkt.
Dem Entschluss zu einer Trennung steht also häufig die Ohnmacht angesichts des
Wohnungsmarktes entgegen. Viele Betroffene müssen Monate und zum Teil Jahre lang weiter mit dem Täter zusammenwohnen, weil sie weder Schutzplätze noch Wohnraum finden können. Dieser Zustand ist gefährlich und traumatisierend für die betroffenen Frauen und ihre Kinder.

Was sind die Konsequenzen aus diesen gesellschaftlichen Missständen?
Der Satz „Die Scham muss die Seite wechseln“, den Giséle Pélicot in Frankreich in Ihrem Prozess gegen mehrere Täter genannt hat, geht um die Welt. Dieser Satz ist so wichtig und wir wollen ihn ergänzen: Nicht nur die Scham, auch die Konsequenzen müssen endlich die Seite wechseln! Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen und Kinder unter den Konsequenzen der erlebten Gewalt leiden, während die Täter in den meisten Fällen mit NULL Konsequenzen rechnen müssen!

Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen infolge von Gewalt ihren Wohnraum verlieren oder aufgeben müssen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen mit Behinderungen oder trans Frauen oft keinen Zugang zu Schutzräumen haben. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie nach Verlassen einer Wohnung nicht vollständig geschützt sind. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie als Konsequenz dieser Gewalt aus ihren Kiezen verdrängt werden, dass Frauen und Kinder nach traumatischen Gewalterfahrungen stark renovierungsbedürftige Wohnungen ziehen müssen.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen in Folge von Gewalt in einem zunehmend rechten Klima noch mehr Angst haben müssen, Hilfe zu suchen, weil rassistische oder antifeministische Strukturen in Ämtern und Behörden stärker werden.
Es ist nicht hinnehmbar, dass migrantische und jüdische Frauen, sowie Frauen, aus der Sinti und Roma Community infolge von Gewalt auf dem Wohnungsmarkt noch stärker diskriminiert werden – weil rassistische, antisemitische und antiziganistische Vorurteile ihnen den Zugang zu sicherem Wohnraum versperren.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen, die Antisemitismus erleben, sich in Folge von Gewalt noch unsicherer fühlen müssen, weil antisemitische Gewalt verharmlost oder sogar legitimiert wird.
Es ist nicht hinnehmbar, dass in Folge von Gewalt Frauen mit Kindern in Notunterkünften oder Bruchbuden untergebracht werden, während Investor*innen und große Immobilienkonzerne Wohnraum als Spekulationsobjekt missbrauchen.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen in Folge von Gewalt gezwungen sind, in Bezirke zu ziehen, in denen sie sich nicht sicher fühlen – weil Verdrängung, Gentrifizierung und rechte Netzwerke ganze Nachbarschaften unsicher machen.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen, die Gewalt überlebt haben, nun auch noch gegen eine
Wohnungskrise kämpfen müssen, die durch neoliberale Politik und rechte Hetze weiter verschärft wird.
Wenn Wohnraum zur Mangelware wird und gleichzeitig nicht ausreichend Schutzplätze gestellt werden können, dann ist es fast unmöglich, den steigenden Femizid-Zahlen etwas
entgegenzusetzen! Femizide sind keine Einzelfälle sondern Ausdruck und Gipfel patriarchaler Gewalt. Die Wohnungskrise verschärft diese Situation bundesweit dramatisch und ist nicht länger hinnehmbar!
Gewalt gegen Frauen und Kinder ist immer auch eine Frage gesellschaftlicher Machtverhältnisse – und wir werden nicht zulassen, dass rechte Hetze und Diskriminierung den Zugang zu Schutzplätzen und Wohnungen weiter erschweren! Gewalt gegen Frauen ist niemals isoliert – sie ist verknüpft mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen, die wir klar benennen und bekämpfen müssen!

Die Konsequenzen häuslicher Gewalt dürfen nicht länger die Betroffenen tragen – sie müssen endlich die Täter und das System treffen!