Liebe Feminist*innen, liebe Antifaschist*innen, liebe Freund*innen,
wir sind Hashomer Hatzair. Wir sind heute hier, weil wir kämpfen – für eine gerechte und eine bessere Welt. Eine Welt ohne patriarchale Gewalt. Ohne Antisemitismus. Ohne Faschismus.
Als säkular jüdische, sozialistische und antifaschistische Jugendbewegung führen wir diesen Kampf nicht erst heute. Er ist Teil unserer Geschichte. Seit über 110 Jahren. Auch hier in Berlin. 1931 wurde Hashomer Hatzair in Mannheim gegründet. Wir hätten hier durchgehend über 90 Jahre aktiv sein können. Doch 1938 mussten wir schließen. Der Faschismus zwang uns dazu. Aber wir sind zurück. Seit dreizehn Jahren wieder hier, und insgesamt in 27 Ländern aktiv.
Unser Ken, unsere Ortsgruppe und Zentrum, ist ein Ort des jüdischen Lebens. Ein Ort der Solidarität. Ein Ort, an dem junge Menschen erleben, was es bedeutet, für Gerechtigkeit, Feminismus und Antifaschismus einzustehen. Und wir wissen: Diese Werte sind nicht selbstverständlich. Sie müssen verteidigt werden. Jeden Tag.
Heute erleben wir weltweit, wie autoritäre Kräfte immer stärker werden – ob in Deutschland, in den USA oder in Italien. Sie nutzen Spaltung, Angst und Gewalt, um ihre Macht auszubauen. Sie richten sich gegen Feminismus, gegen jüdisches Leben, gegen linke Bewegungen.
Antisemitismus ist dabei eine zentrale Brücke für diese Ideologien. Rechte relativieren die Shoa, greifen unser Gedenken an und bedienen antisemitische Verschwörungsmythen. Sie inszenieren sich als Verteidiger*innen jüdischen Lebens – während sie in Wahrheit Rassismus und Faschismus stärken. Gleichzeitig erleben wir in linken und feministischen Kreisen eine schmerzhafte Realität: Der Kampf gegen Antisemitismus wird oft ignoriert, relativiert oder gar bekämpft.
Es darf keinen Feminismus geben, der Antisemitismus ignoriert.
Doch genau das sehen wir heute.
Die sexualisierte Gewalt gegen israelische Frauen am 7. Oktober wurde geleugnet, relativiert oder sogar gefeiert. Von Menschen, die sonst betonen, wie wichtig es ist, Betroffenen zu glauben. Jüdische Betroffene wurden verraten.
Unsere Bewegung war immer internationalistisch, antifaschistisch und feministisch. Deshalb lehnen wir jede Spaltung ab. Deshalb kämpfen wir für eine Welt, in der feministische Solidarität nicht an Grenzen oder Identitäten scheitert.
Als linke jüdische Bewegung kämpfen wir nicht nur hier gegen autoritäre Kräfte – sondern auch Hashomer Hatzair in Israel. Die Shomrimot in Israel, also Hashomer Mitglieder, erleben, wie die extreme Rechte dort die Demokratie immer weiter untergräbt, wie ultranationalistische und religiös fundamentalistische Kräfte gezielt feministische, jüdisch-arabische und linke Organisationen angreifen.
Eine Regierung, die sich auch aus Rechtextremen und religiösen Fundamentalisten zusammensetzt, ist nie eine Lösung. Sie bedroht alle Frauen, sie greift linke Aktivist*innen an, sie verstärkt Repressionen und Unterdrückung. Sie nutzt Angst und Terror, um ihre eigene Macht zu sichern.
Aber wir geben den Kampf nicht auf, auch wenn diese Tendenz nicht nur in Israel besteht.
Wir sind mit unseren Genoss*innen und Freund*innen in Israel und Palästina solidarisch, die für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen. Mit den Frauen, die sich wehren. Mit den Aktivist*innen, die für Frieden und Gleichberechtigung einstehen. Mit den Menschen, die sich nicht von dieser Regierung in Angst versetzen lassen. So viele der gleichen Menschen wurden am 7. Oktober von der Hamas ermordet und entführt, einige von ihnen kehrten nie zurück: viele von ihnen haben ihr Leben für eine bessere, gleichberechtigte Gesellschaft, für den Frieden eingesetzt.
Wir stehen heute hier, weil wir Verantwortung übernehmen – Verantwortung diese Welt zu einem besseren Ort und eben auch einen feministischeren zu machen.
Für die Kinder, die in unseren Kenim aufwachsen, und für die Welt, in der sie leben.
Wir wollen, dass jüdische Kinder keine Angst mehr haben müssen. Dass FLINTA* nicht mehr um ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen müssen. Dass jüdische Feminist*innen nicht mehr aus linken und feministischen Kämpfen ausgeschlossen werden.
Doch noch sind wir nicht da. Noch erleben wir, wie der Rechtsruck voranschreitet. Wie antisemitische Narrative wieder salonfähig werden. Wie das Gedenken an die Shoa angegriffen wird. Und wie sich viele, die sich als links oder feministisch begreifen, dem nicht entschlossen genug entgegenstellen.
Wir stehen heute hier, weil wir kämpfen. Weil wir uns nicht spalten lassen. Weil wir eine gerechte, freie und feministische Welt wollen.
Eine Welt, in der jüdische Kinder keine Angst haben müssen, wenn sie einen Davidstern tragen.
Eine Welt, in der jüdische FLINTA* nicht aus feministischen Kämpfen ausgeschlossen werden.
Eine Welt, in der junge Menschen in unseren Kens nicht lernen müssen, dass ihre Identität ein Streitpunkt ist – sondern dass sie stolz auf ihre Geschichte sein dürfen.
Lasst uns laut sein. Lasst uns zusammen kämpfen.
Für eine Zukunft, in der wir nicht mehr um unser Existenzrecht streiten müssen – sondern für das, was wirklich zählt: Eine gerechte Welt für alle.
Chazak Veematz!